Samstag, 12. März 2005

Säälä

Gestern im t**o (fürch-ter-licher Laden! Unterirdisch! Weiß ich selbst, war aber angedüdelt und hab mich von Anderen überreden lassen):
Ich im Gespräch mit einer mir unbekannten blonden Frau Mitte 30, die so klein und zierlich war, dass man Angst haben musste, man tritt auf der Straße aus Versehen auf sie.
Ruslana sei ihr Name, sagt sie, aus Kiew komme sie. Das hätte stimmen können, obwohl sie keinen von diesen großen runden russischen Köpfen hatte, sondern ganz im Gegenteil.
Ihr Sohn sei 17 und heisse Sergej. Hab ich auch geglaubt, weil mir ein Foto gezeigt wurde und warum auch nicht. Junge Mutter eben.
Das Parfum roch gut und teuer. Ihre Hände waren klein, unlackiert und dauernd in Bewegung. Sie blickte in meine Seele ("Ich blickä in Deinä Säälä") und hat nette Dinge über mich gesagt, die ich gern glauben wollte.
Dann sagte sie sehr viel später noch, da war sie dann schon sehr betrunken vom Rotwein, der Ihre Schneidezähne so blau gefärbt hatte, als ob sie Tinte getrunken hätte:
"Ich brauche Mann mit Gäld. Ich brauche für mich und für Sergej, Du verstehen?"
Ich verstand. Im Wein liegt die Wahrheit. Ich griff nach meinem Mantel. "Was? Warum Du willst gähän jätzt? Wer zahlt meine Gätränkä hier?"
Ich weiß nicht, wer letztlich ihre Gätränkä zahlte.
Ich weiß nur, dass ich noch mit dem Auto nach Hause gefahren bin und dass das -betrunken wie ich war- ziemlich dumm von mir gewesen ist.

Reflex

Vorgestern, irgendwo in der Stadt:
"Ich hab gar keine blauen Augen. Ganz im Gegenteil!" sagte sie und zog eine Schnute.Er blickte schnell nach unten auf seine Fußspitzen, um sich nicht in sie zu verlieben.

Dienstag, 8. März 2005

Die Valschen bekommen die Kinder

Heute wird in der taz anlässlich des Weltfrauentags wieder das Thema des fehlenden Akademikernachwuchses aufgewärmt und aus datums-angemessenem Blickwinkel serviert.

http://www.taz.de/pt/2005/03/08/a0146.nf/text

Jajaja. Nur: Das ist doch kein Unterschicht-/Oberschichtproblem. Wer keine Kinder bekommt, das ist die Mittelschicht, egal ob akademisch oder nicht. Alles darüber vermehrt sich strategisch und verbissen in Lebensbornmanier. Statistisch kann ich das nicht belegen aber ich bin mir sicher. Wer in München am Sonntagvormittag im "Eisbach" frühstücken geht, und die Kohorten von Akademikerfamilien, Unternehmensberater- und Anwaltsnachwuchs sieht, der versteht mich.
Putzige Kindchen langweilen sich im schicken Kinderwagen oder an der Hand des Maßschuh- und Barbour-Nachf.-tragenden Papas. Die Mama, stolz, schneller als Heidi Klum wieder das Schwangerenfett abpilatiert zu haben schwatzt derweil gutgelaunt mit der soccermum vom Nachbartisch, die gerade den eigenen Nachwuchs aus dem Caffe Latte zieht.
Was bleibt nach dem Überschreiten der 35, dem Brilliantring, der Nobelwohnung in Isarnähe und dem xhundert-PS-Van noch zu tun, um sich ins rechte soziale Licht zu rücken? Kinder haben. Viele Kinder haben. Hier im Eisbach am Sonntagmorgen sieht man sie alle. Erschaffen und geformt nach den Ebenbildern aus der Vogue-Bambini. Teure Kinder - 100.000 Euro kosten die nicht erst im Studium, sondern schon vor dem Abitur.
Die einen Falschen kriegen die Kinder mit Anfang 20, die anderen Falschen mit Ende 30. Und diese Kinder der Spätestgebärenden, die da großwerden, werden einen Teufel tun, die "Weichen anders zu stellen" als die Frauen von heute, so wie es die taz-Autorin beklagt.
Denn alles soll ja so bleiben wie es ist (s.u., 7. März). Und daran werden sie arbeiten, die Heranwachsenden, werden kleine postpubertäre Zweifelkeime überwinden und dann am Ende schlimmer sein als die eigenen Eltern. Prost Mahlzeit.
Was geh ICH auch Sonntagmorgens ins Eisbach? Selbst Schuld, wenn ich mir den Tag versaue.

Nur'n Plan

Mein Plan ist, heute um 18 Uhr zur Praterinsel zu fahren, da macht die Kantine nämlich zu und sie hat Schichtende.
Wenn ich mich nicht täusche, fährt sie einen Golf. Ich platziere mich dann also strategisch in dessen Nähe, am besten wär es, grad nebenan zu parken. Sie wird sicher sehr müde sein, vom vielen Kellnern und vom Abwehren der unehrenhaften Annäherungsversuche böser angetrunkener Männer, die sie alle nicht mag, weil sie doch vom weißen Ritter träumt, der ihr romantisch den Hof macht. Weil ich clever bin wie ein Fuchs, hab ich die Curver-Box dabei, die mir zum Einladen der Geschenke am Ende des Fests mitgegeben worden war. Die will ich jetzt also zurückbringen, da hab ich einen prima Grund. Und deshalb kann ich, wenn ich sie dann treffe, so mit "ach bin ich jetzt zu spät, ich wollte Euch doch noch das hier zurückbringen" in das Gespräch einsteigen. Ich plane, ein wenig ungeschickt mit der Box rumzuhantieren und einen etwas hilflosen Eindruck zumachen, nicht zuviel, nur so dass sie sich überlegt "ach dieser nette Mann, der tut sicher den ganzen Tag große und wichtige Sachen aber im täglichen Leben ist er ein wenig überfordert, da helf ich ihm doch gleich mal". Dann gehen wir also nochmal rein in die Kantine und geben das ab und auf dem Weg werd ich so ganz ungezwungen smalltalk machen, so wie "Das ist vielleicht ein Winter, was?" z.B. oder ähnliches, nur nichts politisches oder so, das weiß man ja, dass das nicht so gut ankommt. Auf dem Rückweg zum Auto sollte sie dann am besten ausrutschen, dann kann ich sie im letzten Moment auffangen und sagen "wenn du mit mir was essen gehst, lass ich Dich nicht fallen" oder was anderes lustiges. Wenn sie dann lacht, dann heisst das ja, dass sie in mich verliebt ist, aber wenn sie mir einen Vogel zeigt, dann ist das vielleicht ein Hinweis darauf, dass sie momentan noch nicht erkannt hat, dass ich ihr weißer Ritter bin und dann werd ich mir was anderes ausdenken, was ich tu. Aber Fallenlassen werd ich sie dann trotzdem nicht, denke ich, es sei denn, sie sagt noch was entmutigendes, so wie "Hilfe, Hände weg!". Dann vielleicht doch.

Sonntag, 6. März 2005

Alles bleibt so wie es ist

Sonntagmorgen vor einer Münchner Bäckerei in Nymphenburg: Ich beobachte eine wohl 40jährige schlanke Frau mit streng zurückgebundenen Haaren beim Wiedereinladen der Kinder in den sehr großen dunklen SUV. Sie trägt Seven-Jeans, Prada-Schuhe, eine weiße Bluse und eine Perlenkette darüber, dezenter Goldring am Finger: Philippa! Hierher! Charlotte, rutsch durch, mach Platz für Maximilian! Und drei kleine hübsche gesunde blondschopfige Kinder, ausgestattet von Lodenfrey Kinderabteilung, krabbeln lachend ins Auto, fahren wie jeden Tag zurück in ihr Haus in der Prinzenstraße, spielen mit den Hunden, grüßen artig den Gärtner, radeln in die Vorzugsschule, werden in 10 Jahren beginnen, ihr herrschaftssicherndes Kreuzchen an jedem Wahltag bei F.D.P. und CSU zu machen. Und in 20 Jahren, als sieggewohnte junge MBA Absolventen, werden sie Witterung aufnehmen, um gleichgesinnte, vor Fruchtbarkeit fast explodiernde Geschlechtspartner zu finden, die für herrschaftssichernden Nachwuchs sorgen werden, damit die Fackel weitergegeben wird, auf dass die Welt immer so bleibt wie sie ist, denn mein Gott, das wäre doch schrecklich, wenn dieses Paradies verloren ginge....

Samstag, 5. März 2005

Audiophil

Gestern rief so eine Call Center-Frau von Kienbaum an, wegen irgendeines, auf mich völlig unpassenden Jobangebots. Das hab ich ihr auch gleich mitgeteilt, dass ich da überhaupt nicht in Frage käme.
Aber sie hatte eine sehr schöne Stimme, ganz samtig und das letzte Wort in jedem Satz hat sie so ganz langsam ausrollen lassen, wie auf einem roten Teppich. Das hab ich ihr gesagt, mitten im Satz hab ich sie unterbrochen. Und sie ist richtig schön aus dem Konzept gekommen und hat gestottert mit ganz vielen süßen kleinen samtigen "ääh's".
Dann entspannte sich folgender Dialog:
"Naja also ich interessiere mich sehr für die Stelle"
"Aber eben haben Sie doch das gegenteil gesagt!"
"Geben Sie mir Ihre Nummer? Ich überlege nochmal wegen der Stelle und rufe dann zurück"
-kurzes Schweigen am anderen Hörer mit Denkgeräuschen-
"Die Stelle ist für einen Projektmanager. Das hat ja tatsächlich ziemlich wenig mit dem zu tun, was Sie momentan beruflich machen, das scheint nicht zu passen"
"Ich glaub das auch"
"Warum wollen Sie dann meine Nummer?" (das kam schnell und hörte sich etwas herausgerutscht an)
-taktisches Schweigen meinerseits-
"ähm" (nicht ganz so samtig, wie sie es eigentlich könnte) und dann
"0211/3........"
"Dankeschön"
-nochmal kurze, knisternde Pause-
"Gut, dann also, Sie melden sich nochmal?" (sehr samtig aber ohne Ausrollen am Ende, sondern eher so, als ob sie sich nach der letzten Silbe auf die zunge gebissen und 'wie blöd hab ich das denn grad betont' gedacht hat)
"Bestimmt"
-Schlußgrußformelaustausch-

Die nächsten zwanzig Minuten war ich verliebt.

Dann stellte ich mir vor, dass diese Stimme zu einer 150 kg Dame mit Nasenhaaren gehörte und ich erinnerte mich an meinen guten Freund U., der mal im Studium tagelang einen Telefonflirt veranstaltet hat und die Frau dann bei einer Party zum erstenmal getroffen hat.
Seine ersten Worte waren: "Ach, ich hab mir Dich ganz anders vorgestellt, Du hast so eine hübsche Stimme!". Es waren auch die letzten und ich kann verstehen, warum er selbst heute noch vor Peinlichkeit Gänsehaut bekommt, wenn ihn jemand drauf anspricht.

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Zuletzt aktualisiert: 7. Dez, 10:53

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