Lob der Pornographie

In Zeiten anschwellenden staatlichen Vorgehens gegen Sinnenfreuden des niederästhetischen Frequenzbereiches sollte man in schöner demokratischer Tradition beim Abwägen des Für und Wider das Für nicht vergessen. Mir zumindest fallen drei Dinge ein, die ich auf die Positivseite setzen würde, wenns um Schmuddelkram geht.

1.) Es gibt kein besseres Mittel, um die 19jährige Tochter oder die von Altersangst befallene Ehefrau von Brustoperationen abzuhalten als das Vorführen von Auszügen aus US-amerikanischen Pornostreifen. Groteskere Verformungen, bizarrere Verrutschungen, hässlichere Faltenwürfe und Narbenwülste kann man nirgendwo sehen.
Es ist halt ein Unterschied, ob man Demi Moores gepimpte Oberweite festsitzend im ausgeschnittenen Abendkleid betrachtet oder freigelassen unverhüllt in rasanter Durchschüttelung. Ashton Kutcher könnte hier sicher erhellende Sachen erzählen aber noch schweigt er.

2.) Entgegen dem, was Werbung, Frauen- und Männerzeitschriften sowie Hollywood und Laufsteg uns tagtäglich einhämmern, gibt es Spaß, Lebensfreude und jede Menge Sex jenseits von Modelmaßen und jenseits der 40. Zum Beweis empfehle ich einen flüchtigen oder vertieften Abstecher in die Welt der Amateurpornointernetseiten. Dort tummeln sich im schönsten Wortsinne unverschämte Paare, die ihren Spaß am Sex und damit ihre aus dem Leim gegangenen und teilverschrumpelten Körper mit großer Leidenschaft und geringer Kenntnis filmischen Basiswissens aufnehmen und zur allgemeinen Ansicht freigeben. Es entfaltet sich ein Panoptikum ästhetischer Grenzüberschreitung in nicht für möglich gehaltenem Ausmaß. Man wird Angriffen pickeliger Riesenhintern ausgesetzt, sieht dutzendfache Beispiele für fußpflegerische Notfälle und wird von einem veritablen Tsunami formlosen Fleisches und wabernden Fetts überspült. Ein mutmachender Trost für alle (auch die zukünftigen) Dicken und Alten.

3.) Pornografische Darstellung beantwortet dem gänzlich Unerfahrenen sehr anschaulich wesentliche Fragen, die jenseits der Antworten in Biologiebüchern, Aufklärungsunterricht und Doktorsommerrubriken bestehen bleiben. Der Verfasser fühlte sich als 17jähriger bezogen auf die Abläufe des sexuellen Vorgangs an sich jedenfalls unzureichend informiert: Das Biologiebuch zog sich an entscheidender Stelle mit Formulierungen aus der Affäre, die in wissenschaftlicher Klarheit daherkamen aber jedwede Art praktisch verwertbarer Bedienungshinweise vermissen ließen: Das Glied wird versteift in die sekretfeuchte Scheide eingeführt. Basta. Dass an den erwähnten primären Geschlechtsmerkmalen auch noch der Rest des Körpers hing, der in irgendeiner Form dabei positioniert und gehandhabt werden muss, war logisch, indes die brennende Frage nach dem Wie blieb unbeantwortet.
Jedenfalls solange, bis ich den von außen unverdächtig aussehenden Zeitschriftenladen im Stadtzentrum entdeckte, der neben dem üblichen Angebot an Druckerzeugnissen auch eine ganze halbe Regalreihe mit unverschweißten (!) Hardcorepornoheftchen aufzuweisen hatte. Gnädigerweise war das betreffende Regal in einer schlecht einsehbaren Ecke des Ladens aufgestellt worden. So konnte man - und ich tats - durch Ausnutzen eines günstigen Moments 20 Sekunden Zeit gewinnen, eines der Heftchen zu greifen und hektisch durchzublättern, bevor der Ladenbesitzer oder andere Besucher Verdacht schöpfen konnten. An einem Tag, an dem das Schicksal mich mit großem Glück beschenkte, konnte ich so auf der Mitteldoppelseite eines Happy Weekend Heftchens die Antwort auf einige meiner drängendsten Fragen entdecken. In nie für möglich gehaltener Klarheit und Eindeutigkeit waren dort zwei nackte Männer und eine genauso nackte Frau beim tatsächlichen Tun abgebildet. Links der Mann, der sein tatsächlich versteiftes G. in die -hmmmmmmm- anscheinend NICHT sekretfeuchte S. der Frau eingeführt hatte. Auf der gegenüberliegenden Seite der zweite Mann, der sein entsprechendes Geschlechtsmaterial offensichtlich einvernehmlich in einer unerhört andere Körperöffnung der Frau geparkt hatte. Unglaublich! Also so! Verstehe! Diese 10 Sekunden verstohlener Betrachtung wogen Jahre verschämter zweideutiger unklarer Erklärungen mit einem Schlag auf. In großer Aufgewühltheit und in der Euphorie des Erkenntnisrausches verließ ich den Laden. Heute noch bin ich dem Besitzer dankbar, von dem ich vermute, dass er ein Herz hatte für arme, hormonelle Tumulte durchleidende Heranwachsende. Er hatte mich mich selbst aufklären lassen. Wahrscheinlich hatte er Ähnliches in seiner Jugend durchgemacht. Das alles geschah vor ungefähr 25 Jahren. Würde der Ladenbesitzer heute sowas tun und dulden und am Ende sogar noch die Dummheit begehen, darüber zu reden, dann wäre am nächsten Tag womöglich sein Laden geschlossen und er als "Sex-Bestie" auf der BILD-Titelseite.

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