Podiumsdiskussionen, Demokratie, Wahl, Medien, Moral

Podiumsdiskussion in der Zwingli-Kirche. Carsten Koschmieder von der FU Berlin, Fachbereich empirische politische Soziologie. Unaufgeregt, sachkundig, bisweilen blitzt ein feiner Humor auf. Sympathische I-Dont-Care-Frisur.
Gabriele von Arnim, Grande Dame des Journalismus oder so, Buchautorin auch, eine Großbürgerlichkeit ausstrahlend, die nur sehr selten durchweht wird von einer abweisenden Unnahbarkeit, einem Hauch Arroganz. Vielleicht kommt mir das auch nur so vor, weil sie mich an Gertrud Höhler erinnert, auch äußerlich. Irgendwie denk ich mir die immer in Reithose und Tweedjacke. Passt jedenfalls auch zu GvA. Typ Patek-Philippe-Generationen-Werbung, die schneidig-strenge Großmutter. Scheint sich selbst jedenfalls schon ziemlich ok zu finden.
Daneben der Konterpart, Harald Welzer, findet sich auch ziemlich ok, gibt aber den kumpeligen Biertrinker und im Folgenden öfter mal den Tina-Mendelsohn-Piesacker, das ist die Moderatorin, sympathisch und vielleicht nicht 100% interessiert an dem Thema, im Verlauf der Diskussion aber wiederholt von Welzer angeschnappt zu werden, hat sie nicht verdient. Was soll das auch, in einer Podiumsdiskussion im Jahr 2017, wo es ums Wählen als Bürgerpflicht geht, die AfD "ignorieren" und nicht über sie sprechen, wie Welzer es fordert. Ich mein, theoretisch schon klar. Warum denen eine Bühne geben und warum - Welzers Kritik - presseseitig so hysterisch auf Gaulands jüngste Äußerungen reagieren statt sie gar nicht zu beachten. Und erst recht: warum diese Leut' interviewen und das dann unkommentiert ins Blatt stellen. Stimmt. Müssen die nicht, tun die aber. Warum?
Ende Bericht der Diskussion und anfang Meinungsabsonderung: Vielleicht weil die führenden Zeitungen und Sender sich allesamt als pädagogische Leitmedien sehen, die einen Erziehungsauftrag am Volk exekutieren müssen. Und nicht als Einrichtungen, die links oder rechts oder wirtschaftsliberal oder gewerkschaftsorientiert oder so was sind. Die könnten dann einfach sagen, schleich di, Du Sauhund, über Dich schreib i nix. Oder die könnten sagen, wenn ich mir jetzt nur das Wirtschaftsprogramm der AfD angucke, also, besser als bei den Linken ist das schon. Geht aber nicht. Weil, AfD ist gesamthaft böse - als Partei und als Mitgliederblock und sogar schon als Buchstabenkombination- und das muss immer klar sein und vorne hinten oben unten drumrumgeschrieben werden, damit keiner auf die Idee kommt, man hätte grad die AfD inhaltlich gelobt. Und weil die Medien sich eben genau so verhalten, haben es die clevereren Typen der AFD so leicht. Keiner von denen kann gut reden, geschweige denn argumentieren,alles amateurhaftes Stammeln. Also einen Charismaten haben die wirklich nicht. Brauchen sie aber nicht, weil die dämlichen deutschen Oberlehrerleitwertemedien jedes hingeworfene Stöckchen glauben apportieren und mit "Demokratiegefährdend! Rassistisch! Sexistisch! Faschuistisch! Menschenverachtend!" markieren zu müssen. Irgendwann lernt diese Methode auch der dümmste AFDler. Und wenn dann noch die von mir eigentlich geschätzte Grüne KGE das mit der Moral als Standortfaktor ruft, dann ist natürlich der Ofen ganz aus. Damit wirft sie jahrhundertelange Arbeit der Politischen Theorie über den Haufen. Deren Errungenschaft war ja unter anderem, die Politik aus dem Würgegriff der Moral zu befreien. Platon's Philosophenkönige waren eben nicht der cleverste Einfall. Nicht die weisesten und besten der Guten sind auch gleichzeitig die besten Politiker. Pustekuchen.
Wer Politik durch Moral ersetzt, macht sich handlungsunfähig. Wer apodiktisch einen Standpunkt als unverhandelbar in die politischen Verhandlungen einbringt (wir gehen nur in die Regierung, wenn "Ehe für Alle", "Dieselverbot", "Obergrenze" etc. whathaveyou) - und es auch noch genauso meint! - der tötet die jahrzehntelang erfolgreich in Deutschland erprobte politische Methode in der Demokratie. Das Ziel des politischen Handelns ist SCHRITT FÜR SCHRITT Verbesserungen herbeizuführen. Durch Schließen von Kompromissen und ergo durch Abweichen von den eigenen Startstandpunkten und Annäherung an den anderen Standpunkt. Das ist etwas ganz anderes als Politk als unbedingtes Durchsetzen des moralisch Gebotenen oder das Verhindern von Entscheidungen, die keine Win-Win-Win-Win-Situationen erzeugen. Die Folge: Ich kann mich nur enthalten, wenn es darum geht zu entscheiden, welche Seite ich in einem Bürgerkrieg zwischen IS- und Assad-Truppen unterstütze. Weil, ich würde so oder sorum die Bösen unterstützen. Blöd nur: Tu ich nix, mach ich mir die Haände eben auch schmutzig, denn dann geht der Krieg weiter und mehr unschuldige Menschen sterben wegen meiner Haltung. Man sieht: diese Vorstellung von Politik ist schwachsinnig und gefährlich.
Wer will sowas? Politik geht anders und nur weil Politiker sich die Hände schmutzig machen, funktioniert sie.
Wo war ich? Genau. Zurück zur AFD und den Medien. Der falsche Umgang mit der AFD ist der der moralischen Empörung. Aber genau diesen Grundton pfeifen die Medien, nicht nur Ard und Zdf aber da regts den Gebührenzahler natürlich besonders auf. Mit Moral (welcher eigentlich?) an der Seite gegen die AFD zu argumentieren, ist kläglich, weil "Moral betrifft nie Deinen Nachbarn", wie der kluge Franzose Alain sagte. Dem Anderen fehlende Moral vorzuwerfen, macht einen selbst nicht moralisch. Sondern zum Moralisierer. Eine fragwürdige Position für die Medien.

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